Forum für die historisch fundierte
Aufführungspraxis in Südafrika
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts nahm eine
spannende Erneuerung in der Aufführung westlicher
Kunstmusik seinen Anfang, angeführt von Vorreitern wie
Nicolaus Harnoncourt in Österreich, den Brüdern Kuijken
und Anner Bijlsma in den Niederlanden, und Gustav
Leonhardt in Deutschland. Immer mehr Musiker empfanden
die Unzulänglichkeiten der Aufführung vor-romantischer
Musik mit dem Instrumentarium und den ästhetischen
Vorstellungen der größtenteils romantisch geprägten
Musikauffassung der Zeit, und suchten nach neuen Wegen
in der Interpretation und Aufführung der früheren Musik.
Mit akribischem Studium der zeitgenössischen Traktaten
einerseits, und unter Verwendung der Musikinstrumente,
für die die Musik komponiert wurde, andererseits, wurde
das ursprüngliche Klangbild der alten Musik angenähert.
Die Anfangsphase war gekennzeichnet von großer
Experimentierfreude, von extremen Ansichten und zuweilen
auch von Dogmatismus. Mittlerweile ist die Bewegung in
die Mitte der heutigen Musizierpraxis angekommen,
gleicherweise akzeptiert von Musikern und Publikum. In
der Tat, es ist im Westen allgemein anerkannt, und wird
sogar erwartet, dass die Musik einer bestimmten Epoche
auch mit dem einschlägigen Instrumentarium und mit
Berücksichtigung der damaligen Aufführungspraxis
gespielt wird.
Das Resultat ist keineswegs die Darstellung verkopfter
Ausstellungsstücken. Im Gegenteil, diese Bewegung hatte
einen vitalisierenden Einfluß in allen Bereichen des
Musiklebens, von der praktischen Aufführung zur
Musikwissenschaft, und entfaltete eine neue,
existentielle Suche nach der wesentlicher Aussage der
Musik.
Die historisch fundierte Aufführungspraxis führt in
Südafrika noch ein Nischendasein, und wird an
Ausbildungsstätten sowie vom Publikum gleicherweise mit
Zurückhaltung, wenn nicht Argwohn, begegnet. Diese Lage
verursacht immer mehr, dass es südafrikanischen
Musikstudenten und Musikern schwerfällt, den Anschluss
an Studienprogramme und Berufsmöglichkeiten im Ausland
zu finden. Seit den frühen Neunzehnachzigerjahren
leistete einige Pioniere, allen voran der Cembalist John
Reid Coulter, Großes, diesen Mißstand zu begleichen.
Inzwischen ist die Gruppe der Protagonisten angewachsen
und schließt immer mehr Nachwuchsmusiker ein.
Eine erfreuliche Entwicklung des letzen Jahres ist die
aktive Förderung ausgehend von einigen Musikabeteilungen
wie an den Universitäten zu Potchefstroom und
Bloemfontein. Darüber hinaus hat sich im Privatsektor
die Musiktagungsstätte Deelfontein die Unterstützung der
Alten Musik auf die Fahne geschrieben, und finden dort
regelmäßig Kurse und Meisterklassen statt, bei denen
Experten aus sowohl Europa als auch Südafrika Unterricht
erteilen.
Die Musiker in der südafrikanischen Alten Musik-Szene
John
Reid Coulter
ist eine führende Figur der historischen Aufführungspraxis Südafrikas.
Nach dem vorbereitenden Musikstudium an der Universität Potchefstroom
studierte er das Cembalo am Koninklike Konservatorium in Den Haag bei
Jacques Ogg. Er ist als Juror bei Musikfestivals allgemein bekannt und
hat als Komponist verschiedentlich Anerkennung erlangt. Frühere
Wirkstätten schließen die Universitäten von Potchefstroom,
Witwatersrand, Pretoria, und die Universität vom Vrystaat in
Bloemfontein ein.
Als Solist und Continuospieler spielte er in Konzerten in den
Niederlanden, in Norwegen und in Deutschland. Mit seiner Barockensemble
Banda di Giovanni leitet er die Erstaufführungen verschiedener
alten Werke in Südafrika, unter anderen die Apollo e Dafni von
G.F. Handel 2004 und die Serenata à tre Mio cor, povero cor von
Antonio Vivaldi Mai 2007. Neben dem Spielen auf alten Tasteninstrumenten
ist John Coulter auch am Instrumentenbau interessiert und hat schon
einige Cembali und ein Fortepiano gebaut.
Hans
Huyssen
wurde in Pretoria
geboren. Nach dem Musikstudium an der Universität Stellenbosch studiert
er in Europa und erlangt den Meisterabschluß in Komposition unter
Hans-Jürgen von Bose an der Musikhochschule in München. Durch die
Seminare des Nikolaus Harnoncourt am Mozarteum in Salzburg kam er mit
der historischen Aufführungspraxis in Berührung, und spielte einige
Jahre lang als Barockcellist mit verschiedenen Barockensembles mit. Hans Huyssen ist
Stipendiat der Steinbrenner-stiftung (Berlin) und des Bayerischen
Kultusministeriums. Ihm wurde einen SAMRO-Preis und einen Preis der
Ernst von Siemens-stiftung zuerkannt. Er ist Mitbegründer und Leiter des
Ensemble così facciamo, das alte und zeitgenössische Musik auf alten
Instrumenten aufführt. Er leitet Operproduktionen, wie unlängst L’Orfeo
von Monteverdi in München. Mit seinen Aktivitäten als
Komponist, Cellist und Dirigent, die von den beiden Polen Alte Musik und
zeitgenössische Musik bestimmt werden, vertritt er die Meinung, daß
diese beiden Gebiete der Musik nicht isoliert gesehen werden sollen,
sondern in einer Beziehung zueinander stehen, die bei der Aufführung
auch berücksichtigt werden soll. Daneben spielt auch sein Interesse an
den Musiktraditionen Afrikas eine wichtige Rolle, in den Kompositionen
und in den Aufführungen. Auf der Suche nach einer eigenen
südafrikanischen Form der zeitgenössischen Musik, siedelt er sich nach
vierzehnjährigem Aufenthalt in Europa 2001 wieder in Südafrika an. Er
ist momentan an der Deutschen Schule in Kapstadt angestellt.
Gerhard
Benadé
studierte in den Naturwissenschaften und der Mathematik, während er sich
gleichzeitig im modernen Fagott bei Leendert Booyens und später Fanie
Jooste in Potchefstroom weiterbildet. Im Jahre 1995 siedelt er als
freiberuflicher Fagottist nach Baden-Württemberg über, wo er sein
Fagottstudium unter Albrecht Holder fortführt. Seit 2001 spielt er auch
die historischen Fagottinstrumente Dulzian, Barockfagott und klassisches
Fagott. Er studierte an der Musikhochschule Trossingen unter Christian
Beuse.
Im Jahre 2005 kehrte er nach Südafrika zurück. Er gründete die
Tagungsstätte Deelfontein, womit er das Kursangebot im Musikbereich
hierzulande bereichert. Seit 2008 werden hier mehrmals im Jahr Kurse und
Konzertprojekte angeboten, in der Hauptsache im Bereich Alter Musik.
Selway Robson
Der Wunsch, die eigenen Instrumente herzustellen, motivierte den
versierten Musiker und gelernten elektronischen Ingenieur Selway Robson,
seinen anfänglichen Beruf aufzugeben und Instrumentenmacher zu werden.
Nachdem er beim Bristol Aeroplane Technical College in England ein
Maschinenbaudiplom erwarb, machte er ein Honours an der Universität von
Southampton mit Auszeichnung.
Als Instrumentenmacher hat er bis heute mehr als vierzig Instrumente der
Cembalo-gattung hergestellt, sowie ein Dutzend Orgel. Diese Instrumente
sind das Eigentum vieler zufriedenen Kunden in der ganzen Welt –
England, Europa, Australien, Japan und Südafrika.
Abgesehen von den Tasteninstrumenten, die er baut, spielt Selway Robson
auch die Barockoboe und das Barockfagott, und spielt regelmäßig in einem
Barockensemble in seinem Heimatort Kapstadt.
Merryl
Monard
studierte Musik an der Universität von Pretoria und erwarb den
Meisterabschluß (Ausführend) mit Auszeichnung. Zwischen den Jahren 2004
und 2006 studierte sie bei Abbie de Quant (Flöte) und Marten Root
(Traverso) am Konservatorium von Amsterdam, wo sie gleichfalls den
Meisterabschluß macht. Sie hat ein tiefgehendes Interesse für die
historische Aufführungspraxis, und spielte als Student in Amsterdam in
verschiedenen Aufführungen mit Barockensembles. Nach ihrer Rückkehr nach
Südafrika ist sie auch hier als Traversospieler aktiv, vor allem im
Banda di Giovanni von John Coulter. Im Jahr 2007 war Merryl Preisträgerin des
ATKV-Musikwettbewerbs, und gewann auch eine Auszeichnung für ihre
Ausführung einer Bach-sonate auf dem Traverso. Im Zuge dieser Erfolge
war sie im Rundfunk zu hören und erschien in der Zeitschrift Classic
Feel. Merryl spielt regelmäßig mit den Orchestern hierzulande, wie zB.
mit JMI, Salon Music und dem JPO. Sie ist auch Adressatin einiger
Auftragswerke, wie zB. die Dezember-Fragmente (2003) des bekannten
südafrikanischen Komponisten Stefans Grové.
Erik
Dippenaar studierte Music an der Universität Stellenbosch und
nachher an dem Royal College of Music in London. Er lebte in London bis
2011, wo er sich hauptsächlich mit Kammermusik befaßte. Er trat mit
Florilegium, The London Handel Players und l’Avventura London auf, und
arbeitete auch regelmäßig mit der English Touring Opera, dem Little
Baroque Company und Ensemble Serse zusammen. Während 2008 und 2009 wurde
er als Mills/Williams Junior Fellow bei dem Royal College of Music
angestellt. Seit seiner Rückkehr nach Südafrika spielt er eine führende
Rolle in der Alten Musik am Kap. Zur Zeit ist er Musikdirektor der Camerata
Tinta Barocca, eines Barokorchesters in Kapstadt. Er unterrichtet
Musikgeschichte und historisch informierte Aufführungspraxis and der
Univeristät Kapstadt. In seiner Doktorarbeit in Musik an dieser
Universität untersucht er die Rolle von häuslichen Tasteninstrumenten in
der Kolonisierung Südafrikas.
www.ctbaroque.co.za
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Die Ziele vom Forum sind:
1.
Die Förderung einer Aufführungspraxis, in der die
zeitliche und kulturelle Umfeld der Musik berücksichtigt
wird, bei Musikern wie beim Publikum. Diese
Musizierpraxis schließt alle Musik ein, von den
frühesten Anfängen der westlichen Kunstmusik mit dem
Gregorianischen Gesang, über die Renaissancemusik, die
frühe und späte Barockepoche, die Klassik und Romantik,
bis zur Musik der heutigen Zeit, aber auch der
Volksmusik aller Völker. Musik ist immer vor dem
Hintergrund einer Zeit und einer Kultur zu sehen, und
ihre Aufführung setzt genaues Wissen von und eine
Sensibilität für diese Beziehungen voraus.
2.
Das Koordinieren aller Aktivitäten, die mit der
historisch fundierten Aufführungspraxis zusammenhängt,
das Organisieren von Konzertreisen und
Ausbildungsbesuchen ausländischer Musikern, das Ausbauen
der Aufführungs- und Ausbildungsmöglichkeiten in
Südafrika, und das Etablieren einer Kerngruppe von
kundigen Musikern hierzulande.
3.
Die Darstellung eines Forums für die Bekanntmachung von
Konzerten, Ausbildungs- und Musikwissenschaftlichen
Aktivitäten, und zur Zusammenführung gleichgesinnter
Musiker.
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